…der fünf Menschen, mit denen Du Dich die meiste Zeit umgibst. So zumindest lesen wir es regelmäßig in Büchern oder hören es, viel zitiert, in Vorträgen zum Thema Persönlichkeitsentwicklung.

Puh, bei 523 Facebook-Freunden gar nicht so einfach rauszufiltern, wer da den Rahmen bildet. Okay, da sind womöglich unsere Arbeitskollegen, denen wir täglich begegnen. Oder unsere Familie, die wir regelmäßig sehen. Aber sind das wirklich die ausgeprägtesten Kontakte unseres alltäglichen Lebens? Sind es wirklich unsere Mitmenschen, mit denen wir den Großteil unseres Tages fristen? Also wirklich, in echt, von Angesicht zu Angesicht und in 3D? Ich behaupte nein.

Morgens, 6:00Uhr. Der Wecker klingelt. Das eindringliche Piepen aus der gegenüberliegenden Zimmerecke nötigt mich dazu, meinen Körper in die Senkrechte zu bringen und mit ersten, wenig eleganten Schritten den Tag zu beschreiten. Mit noch halb geschlossenen Augen fuchtle ich nach dem kleinen Nervtöter und drücke die Alarmtaste des Weckers bestimmt nach unten. Zumindest war es früher so. Heute tönt mir ein Potpourri aus zunächst sanft ansteigendem Vogelgezwitscher, übergehend zu übermotivierter Gute-Laune-Musik aus den Lautsprechern meines IPhone entgegen. Schlummertasten-Abo inklusive. Noch vor dem Zähneputzen weiß ich, was vermeintlich in den Leben meiner guten Freunde, der weniger guten Bekannten und der hochgeschätzten Z-Promi-Gesellschaft vor sich geht. Wo früher die Tageszeitung ihren Platz fand, habe ich heute die Hände frei, um durch Facebook und Instagram zu scrollen, während „Alexa“ mich auf die mir bevorstehenden Wetterverhältnisse vorbereitet und mich über das Alltagsgeschehen informiert. Jetzt noch schnell vor dem Aufbruch zur Arbeit auf der Smartwatch das zu erreichende Bewegungs-Tagesziel überblicken und schon kann der Tag starten.

Während der Autofahrt bietet es sich super an, Hörbüchern oder Podcasts zu lauschen, wenn nicht grad die Lieblings-Playlist durch das Wageninnere hallt. Das Handy lädt ja glücklicherweise schon durchs Ablegen auf der Armatur. Da können die Apps munter Akkuvolumen ziehen, ohne dass es mich stört. Im Zweifel stecke ich das Ladegerät noch einmal auf der Arbeit ein, denn da sitze ich glücklicherweise sowieso am Rechner und habe den vollen Überblick. Sollte ich doch mal von meinem Platz wegmüssen, gibt es inzwischen zusätzlich tragbare Telefone oder eben das Firmenhandy, das ich immer bei mir trage. Das spart zum einen Zeit und ich muss zum anderen nicht ständig durch die Etagen laufen, um mich mit jemandem zu unterhalten. Am unmissverständlichsten ist das meiste ja sowieso schriftlich geklärt. Spätestens zur Mittagspause sitzen wir dann eh zusammen. Apropos Mittagspause … kleinen Moment, ich muss kurz ins System und mein Essen für später bestellen.

Hoppla, das war knapp. Sonst hätte ich in die Küche gemusst, um mit den Damen vom Service zu sprechen. Die haben sicherlich auch besseres zu tun.

Jetzt kann ich erstmal entspannt weiterarbeiten. Vor dem Mittag noch einen Zoom-Call (Corona sei Dank, andernfalls wäre ich sicherlich zwei Stunden mit der Bahn unterwegs gewesen, um schließlich den halben Tag mit einem Dutzend weiterer Leute im Schulungsraum zu sitzen). Und dann mit den Kollegen in die Pause. Im Kräutergarten, an der frischen Luft, lässt sich herrlich abschalten. Außerdem ist der Empfang dort besser, so kann ich zwischendrin die ganzen aufgeploppten Nachrichten beantworten. Wahnsinn was da jedes Mal zusammenkommt. Manchmal frage ich mich, was die Leute den ganzen Tag über machen.

Der Nachmittag vergeht weitestgehend ruhig. Insgesamt 28 Mails und 16 Anrufe später, höre ich auf meinem Fahrersitz Teil zwei der angefangenen Podcast-Folge und überlege, dass ich eigentlich noch im Supermarkt einkaufen sollte. Für heute ist mir das, glaube ich, zu viel, also fahre ich an der Abbiegung gradewegs vorbei und schlage den Weg nach Hause ein. Die Waschmaschine hatte ich per App wohlwissentlich schon vorab getimt, so muss ich mich wenigstens darum nicht mehr kümmern. Außerdem habe ich eine Benachrichtigung aufs Handy gekriegt, dass mein Paket angekommen ist, sicher verwahrt am mit der Post vereinbarten Ablageort. Jetzt nach der Arbeit hätte ich auch keine Lust mehr noch in der Postfiliale Schlange zu stehen und sich gegenseitig mit anderen auf die Pelle zu rücken. Früher hat der Nachbar die Pakete noch manchmal angenommen, aber bis man da zueinander gefunden hat … Außerdem ist der Tag schon lang genug und das Klingeln verpflichtet ja doch irgendwie immer zum Small Talk. Diese Zeit nutze ich jetzt und freue mich darüber die angelieferten Sachen anzuprobieren. Bis ich damit durch bin, ist sicher auch die Pizza geliefert, die ich noch schnell über den Online-Lieferdienst geordert habe. Sogar Trinkgeld kann man inzwischen per PayPal zahlen!

In Jogginghose und Wollsocken geschmissen, mache ich es mir auf der Couch bequem. „Alexa, mach Netflix an.“ Wofür ich GEZ-Gebühren zahle, kann ich spätestens seit Inbetriebnahme meines SmartTVs zwar nicht mehr sagen, aber mit viel eigener Überzeugungsarbeit sehe ich es einfach als Beteiligung am großen Ganzen. Man spendet sowieso viel zu selten. Das Schöne am SmartTV ist jedenfalls, dass der Laptop jetzt sogar parallel für mich nutzbar ist, so kann ich nebenbei schonmal die Retoure für mein Paket veranlassen, alles behält man ja meistens doch nicht. Neben dem Seriengucken lässt es sich noch dazu super durch die Onlineshops scrollen. Zwischendurch tausche ich ein paar Sprachnachrichten mit Familie und Freunden aus. Man sieht sich halt auch einfach zu wenig. Na ja, zumindest sagt mir meine Smartwatch, dass ich die 10.000 Schritte mal wieder geknackt habe – Tagesziel erreicht.

So langsam werden die Augen müde und ich kann mich dazu aufraffen meinen Körper vom Sofa ins Bett zu manövrieren. „Vielleicht lasse ich zum Einschlafen noch eine Doku übers Handy laufen“, denke ich mir und stelle den Timer.

Sind es wirklich unsere Mitmenschen, mit denen wir den Großteil unseres Tages fristen? Also wirklich, in echt, von Angesicht zu Angesicht und in 3D?

Du bist der Durchschnitt dessen, mit dem Du Dich die meiste Zeit umgibst. Du allein hast die Wahl, ob das Handy, Computer, Smart Speaker, Fernseher und Smartwatch sind, Tolkien, Kafka, Goethe, Twain und Freud oder eben Deine Liebsten.

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