Und da sind wir wieder. Neues Jahr, neues Glück! Aber bitte ohne Vorsätze …
Ja, wieder einmal etwas spät und ähnlich planlos wie die Jahre zuvor, aber immerhin wieder da.

Same procedure as every year

Wie gewohnt sitzen meine Freundin und ich am Silvesterabend in Hamburg zusammen. Wir sind bei einer Freundin eingeladen und zu dritt beschließen wir, das Jahr mal sowas von gar nicht Revue passieren zu lassen. Hat es sich doch selbst irgendwie auserzählt. Wir verweigern uns allerdings auch dem Blick in die Zukunft. Da immer noch viel zu viele Menschen offensichtlich das Jahr über auf einem Arsenal an Feuerwerksmunition saßen, welches sie tatkräftig auf den Straßen zünden, scheint der Zukunftsausblick noch zu nebulös. 

So konzentrieren wir uns auf das, was ist. Und was jetzt grade ist, sind vor allen Dingen Buffet und Gin Tonic. Bis kurz vor Mitternacht schlemmen wir uns durch diverse Kostbarkeiten, ergötzen uns an gegenseitigen Dating-Eskapaden, buhlen um den Preis für das problematischste Mutter-Tochter-Verhältnis und ignorieren gekonnt die Flut von Jahresrückblicken auf den gängigen Social-Media-Plattformen. ( Blog: Weil Du es Dir wert bist )

Mit etwas zu voll gefüllten Sektflöten zählen wir schließlich affektiert den Countdown zum Jahreswechsel runter, um uns am Ende doch mit einer Mischung aus Wehmut und Zuversicht in die Arme zu fallen. Dann setzen wir uns auf die Couch, blicken für einen Moment still auf unsere Mobiltelefone. Jede für sich in der Erwartung, sich gleich kurz höflich bei den anderen beiden zu entschuldigen, um über das Telefon freudig Neujahrs-Glückwünsche auszutauschen. Hmmm …

Peinlich berührtes Kichern durchbricht schließlich die Stille. „Vielleicht schick ich eine Nachricht in unsere Silvestergruppe? Dann haben wir alle was, worüber wir uns freuen können“, sagt eine der beiden und wir müssen über uns selbst schmunzeln.

Es ist wie es ist

So entschließen wir uns, die Welt Welt sein zu lassen. Zum Teufel mit den Neujahrs-Grüßen! Und mit den Vorsätzen! Besonders mit den Vorsätzen! Die Süßigkeitenschalen füllen sich wie von selbst, die Gin-Gläser tun es ihnen gleich. Wir drehen die Musik auf, singen und tanzen uns die Seele aus dem Leib. Berauscht bewegen wir uns mehr oder minder im Takt zu den Klängen des Besten, was die 2000er zu bieten hatten. Als es mir plötzlich entfährt: „Ach was soll’s? 2022 ist das Jahr meiner Scheidung!“ Unmittelbar darauf platzt es aus meiner ersten Freundin: „Ach scheiß drauf, und ich mach das mit der Eigentumswohnung!“

Mit aufgerissenen Augen sieht uns die dritte im Bunde an: „Ist das euer Ernst?“ Synchron zucken wir mit den Schultern. Sie seufzt: „Hauptsache, wir sitzen nächstes Jahr wieder zusammen und reden nicht drüber. Und keine Vorsätze!“ „Vor allem keine Vorsätze!“, antworten wir wie aus einem Mund.

Wofür hat man Freunde

Auf der Heimfahrt von Hamburg Richtung Hannover telefoniere ich mit einem meiner besten Freunde. „Erzähl mir mal von einer Sache, die du dieses Jahr sein lassen willst.“ „Boah“, stöhne ich unhörbar in Gedanken. „Sag du mir doch eine Sache, die ich dieses Jahr sein lasse.“ Wir schätzen uns, also umschiffe ich das Thema galant. In mir allerdings klingt als Antwort auf seine Frage: „Hauptsache keine Vorsätze. Vor allem keine Vorsätze!“
So lamentieren wir weiter über Gott und die Welt.
Ungefähr bei km 47 verlassen wir die Grenze zur Realität. Es geht darum, lebenslang zu spielen, um das Kreieren noch ungeahnter, Geschmacksknospen betäubender Eissorten, das wirtschaftliche Potential von Pornosynchronisationen und um die fixe Idee, all diese kruden Gedanken in pseudo tiefsinnige Songtexte zu verpacken. Mit Minute 39 unseres Telefonats ist die Entscheidung gefallen: Wir gründen eine Band! Drei weitere Minuten später steht der Bandname und bis Ende des Telefonats stellen wir bereits einen ersten Teilentwurf für die Setliste zusammen.

Zuhause angekommen beende ich beseelt das Gespräch über den Kopfhörer, öffne eine Flasche Weißbier und proste mir selbst anerkennend zu. „Pff …, was ich weglassen will. Na ja, Hauptsache keine Vorsätze. Vor allem keine Vorsätze!“

Der erste Arbeitstag …

… nach den Feiertagen verläuft schleppend. Nur langsam erwachen die Bürolichter aus dem Winterschlaf. Engagiertester Mitarbeiter im Unternehmen ist der Kaffeevollautomat.

Vorsichtig schiebe ich den Kopf durch die Tür einer Kollegin: „Sag mir bitte, dass du nicht mit dem Rauchen aufgehört hast.“ Selbstgefällig lehnt sie sich in ihrem Bürostuhl zurück. „Als ob ich dafür Silvester wähle … oder irgendeinen anderen Tag.“ Sie wirft mir eine gönnerhafte Handbewegung entgegen. „Wenn ich eine Sache nicht dafür brauche, dann sind es Vorsätze. Vor allem keine Vorsätze.“

Zwischen Tür und Angel tauschen wir pingpong-artig Urlaubsanekdoten aus. Es geht darum, wie viel Familie man über die Feiertage verträgt, um apokalyptische Vorzeichen, die das Abschmücken der Firmendekoration birgt, darum, ab welchem Monat Beziehungen ihren anfänglichen Charme einbüßen und um Zugewinnmöglichkeiten in Form von Zweitnutzung des Firmengebäudes als Bungee-Sprunganlage. Der Chef zeigt sich begeistert, wenn auch nicht überzeugt. Bei mir hingegen ist der Gedanke auf fruchtbaren Boden gefallen. Gedankenverloren stecke ich mir am Kaffeeautomaten ein Schokoladenplättchen in den Mund.

„Na, die ersten Vorsätze schon über Bord geworfen?“, frotzelt ein Kollege von der Seite. „Ach quatsch“, kaue ich zufrieden weiter. „Das Spiel spiel ich nicht mit. Immer her mit den Kalorien und raus mit den Vorsätzen! Vor allem mit den Vorsätzen!“

 

Ob letztlich mit oder ohne Vorsätze ist doch im Grunde egal. Ich hab auch ohne dieses Jahr genug zu tun. Schließlich plant sich so eine Scheidung nicht von alleine und ab Februar fangen die regelmäßigen Bandproben an. Nur das Bungee-Jumping muss leider bis Mitte des Jahres warten. Früher gab es keine Termine.

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